Wenn der Traum vom Start-up platzt: Nur die wenigsten Jungunternehmen überleben

Zürich gilt als Hotspot für Jungunternehmen. Jährlich werden mehr Firmen gegründet – aber nur wenige überleben lange. Je nach Branche und Unternehmensform gibt es dabei markante Unterschiede.

Start-ups gibt es in Zürich etwa so viele, wie die Zürcher Weihnachtsbeleuchtung Lucy LED-Lämpchen hat. Ob Jungfirmen nun eine neue App für die Pulsmessung auf den Markt bringen oder eine Software entwickeln, die die Zusammenarbeit im Büro vereinfachen soll, sie alle haben etwas gemeinsam: Start-ups haben sich der innovativen Problemlösung verschrieben und wollen nach der Firmengründung vor allem eines: wachsen – hinsichtlich Produktion und Zahl der Beschäftigten – und Geld verdienen.

Im Jahr 2017 wurden im Kanton Zürich mehr als 7400 Firmen neu eingetragen. Demgegenüber stehen etwas mehr als 5600 Löschungen. Bereits 2016 gab es mehr Firmengründungen als -löschungen. Michele Blasucci, Gründer von Startups.ch, einer Plattform, die sich auf Online-Firmengründungen spezialisiert hat, prognostiziert für 2017 einen neuen Spitzenwert für die Schweiz: «Wir sollten dieses Jahr bei rund 43’000 neuen Firmeneintragungen landen, was neuer Rekord wäre.»

Freiheit ist wichtiger als Geld

Als Grund für die Zunahme nennt Startups.ch, eine Plattform die sich auf Online-Firmengründungen spezialisiert hat, die tiefen Zinsen wie auch die vergleichsweise robuste Konjunktur der Schweiz. Dies locke auch Firmengründer aus dem EU-Raum an. Aber nicht nur: «Viele junge Leute wählen diesen Weg: Anstatt bei Grosskonzernen anzuheuern, setzen sie lieber eine Idee mit Kollegen um», so Blasucci.

«Selbstverwirklichung und eine gewisse Freiheit oder Flexibilität ist Jungunternehmern wichtiger als das schnelle Geld.» Im Gegenzug würden auch Grosskonzerne dazu tendieren, Geschäftseinheiten als eigenständige Firmen auszulagern, damit sich diese frei entfalten und gängige Geschäftsmodelle aufbrechen können, sagt Blasucci.

Ob es sich bei den neu eingetragenen Firmen im Handelsregister aber lediglich um Start-ups handelt, kann so nicht eruiert werden. Denn bei den Neueinträgen handelt es sich definitionsgemäss nicht nur um neu gegründete Firmen. Es können auch Zweigniederlassungen bereits seit Jahren existierender in- und ausländischer Firmen sein. Wohl aufschlussreicher als die Zahl der Neueintragungen im Handelsregister dürfte aber sowieso ihre durchschnittliche Überlebensdauer sein.

Im Durchschnitt zehn Jahre alt

Über alle Branchen hinweg zeigt sich, dass im Kanton wie auch der Stadt Zürich rund 90 Prozent der Firmen die ersten beiden Jahre überstehen, während es im dritten Jahr bereits zehn Prozent weniger sind. Vier Jahre nach der Gründung existieren noch etwa 70 Prozent der jungen Firmen. Dies zeigt eine Auswertung des Statistischen Amts des Kantons Zürich, die auf den Daten des Zürcher Handelsregisters basiert. Dazu untersucht das Amt, ob eine neu eingetragene Firma auch in den folgenden Jahren noch im Handelsregister eingetragen ist.

Zahlen von Startups.ch dagegen bescheinigen lediglich der Hälfte der Start-ups, die ersten fünf Geschäftsjahre zu überleben. Die Daten basieren auf den begleiteten Firmengründungen durch die Plattformbetreiber. Zudem werden jährlich die Konkurse gemessen.

Im Mittel werden die Firmen im Kanton Zürich rund zehn Jahre, in der Stadt neun Jahre alt. Damit werden die Jungfirmen in beiden Regionen im Schnitt bereits ein Jahr älter als dies noch 2015 der Fall war. Das Zahlenmaterial zeigt noch mehr: Je nach Branche zeigen sich deutliche Unterschiede in der Altersstruktur der Firmen. Während Unternehmen im Sektor Maschinenbau oder der Druckindustrie nach wie vor am ältesten werden, gehören die Branchen Handel und Gastgewerbe zu jenen mit der höchsten Firmensterblichkeit.

Dagegen überleben Firmen der Finanz-, Informatik- oder Gesundheitsbranche mit einer Rate von über 80 Prozent. Gründe für die Löschungen können eine ungenügende finanzielle Planung, Streit unter den Firmengründern oder aber der Aufkauf des Start-ups durch ein bereits etabliertes Unternehmen sein, so die Einschätzung von Blasucci.

Geschäftsidee von Aktiengesellschaften fundierter

Hinsichtlich der Unternehmensform, die bei einer Gründung gewählt wird, zeigt sich auf städtischer und kantonaler Ebene ein ähnliches Bild. Während etwa 90 Prozent der im Jahr 2013 gegründeten Stiftungen, Vereine, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung vier Jahre später noch existieren, sinkt die Überlebensrate von Kollektivgesellschaften und Einzelunternehmen über den gleichen Zeitraum hinweg auf etwa 65 Prozent.

Damit wird deutlich: Der Eintrag einer Aktiengesellschaft oder GmbH ist finanziell und planerisch aufwendiger, als die Gründung einer Einzelfirma. Weil mehr Aufwand betrieben werden muss, schliesst das statistische Amt des Kantons Zürich darauf, dass deren Geschäftsidee durchdachter und fundierter sein muss. Bei Vereinen und Stiftungen, die häufig keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen und nur wenige Mitarbeitende beschäftigen, dürfte die Überlebensrate gerade deshalb höher liegen als bei anderen Unternehmensformen.

Auch erschienen auf www.limmattalerzeitung.ch und der 12-App am 22. Dezember 2017.